GB / Lebensende: „Assistierter Suizid bringt wirtschaftliche Vorteile“
IEF, 26.03.2020 – In einem kürzlich veröffentlichten Beitrag argumentieren zwei Wissenschaftler, warum die Legalisierung von assistiertem Suizid wirtschaftliche Vorteile bringt.
Wie das Portal bioedge berichtet, veröffentlichten zwei schottische Wissenschaftler, Dr. David Shaw (Universitäten Basel und Maastricht) und Prof. Alec Morton (Strathclyde), am 10.03.2020 in der Fachzeitschrift Clinical Ethics ihre neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen. In ihrem Artikel „Counting the cost of denying assisted dying“ kommen Shaw und Morton zum Ergebnis, dass die Legalisierung von „Sterbehilfe“ sowohl denjenigen, die durch assistierten Suizid/Tötung auf Verlangen (die Autoren verwenden den Sammelbegriff „assistiertes Sterben“) sterben wollen, als auch der gesamten Gesellschaft erheblich zugute käme.
Negative und positive „qualitätsangepasste Jahre“
Sie führen hierbei drei wirtschaftliche Argumente an: die Kosten für unheilbar kranke Patienten mit schlechter Lebensqualität, die Kosten für eine anderswo besser nutzbare Versorgung und den potenziellen Nutzen der Organspende. Zuallererst ermögliche Suizidassistenz betroffenen Personen, negative „qualitätsangepasste Lebensjahre“ (QALYS) zu vermeiden. QALYs sind ein Maß für die Krankheitslast, das die Qualität und Quantität des gelebten Lebens umfasst und das von den Angehörigen der Gesundheitsberufe zur Bestimmung des Wertes von Gesundheitsergebnissen herangezogen wird. Zweitens könnten die für Patienten verbrauchten Ressourcen, denen „Sterbehilfe“ verweigert wird, stattdessen dazu verwendet werden, zusätzliche QALYs für Patienten bereitzustellen, die weiter leben und ihre Lebensqualität verbessern möchten. Drittens könnte die Organspende in diesem Zusammenhang eine zusätzliche Quelle für QALYs darstellen.
„Verbot von „Sterbehilfe“ ist eine Lose-Lose-Situation“
Die Vermeidung negativer QALYs und der Gewinn an positiven QALYs zusammengenommen deute darauf hin, dass die Legalisierung von „Sterbehilfe“ sowohl der kleinen Zahl von Menschen, die assistierten Suizid/Tötung auf Verlangen in Anspruch nehmen wollten, als auch der Allgemeinbevölkerung erheblich zugute käme. Die Autoren schlussfolgern provokant, ein Verbot von „Sterbehilfe“ sei eine „Lose-Lose-Situation“ für alle Patienten.
Organspende und assistierter Suizid
Shaw und Morton erläutern weiter, warum eine Organentnahme nach einem assistierten Suizid/Tötung auf Verlangen aus medizinischer und wirtschaftlicher Sicht besser sei. Die schottischen Wissenschaftler erläutern die „Vorteile“ der Verknüpfung von assistiertem Sterben und Organspende folgendermaßen: „Wenn Patienten Sterbehilfe verweigert wird, verschlechtert sich die Organfunktion allmählich, bis sie auf natürliche Weise sterben, was bedeutet, dass eine Transplantation weniger wahrscheinlich erfolgreich ist.“ Zweitens müssten Patienten, die sich für die „Sterbehilfe“ entscheiden, ohnehin einen langwierigen Prozess durchlaufen, weshalb die Organspende einfach und ohne Zwang in diesen Prozess integriert werden könne. Dadurch werde das Risiko verringert, dass Familienmitglieder versuchen, die Spende abzulehnen. Das geschehe oft, wenn ein Patient auf nicht geplante Weise versterbe. Wie das Institut für Ehe und Familie (IEF) berichtete, werden Sterbewillige in Ontario/Kanada bereits proaktiv über die Möglichkeit der Organentnahme informiert. Durch „Sterbehilfe“ stiegen im Jahr 2019 die Organspenden um 14 % im Vergleich zum Vorjahr.
Ethikerin Kummer: Coronavirus zeigt wie Schutz vulnerabler Personengruppe funktioniert
Während immer intensiver und unverhohlener über die finanziellen Vorteile von „Sterbehilfe“ gesprochen wird, zeigen die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus hierzulande aktuell eine diametral entgegengesetzte politische und gesellschaftliche Tendenz. Die österreichische Regierung und die Bevölkerung nehmen drastische wirtschaftliche Einbußen und die Beschränkung demokratischer Grundwerte in Kauf, um die Risikogruppen, also vorerkrankte und ältere Menschen, vor einer Ansteckung zu schützen. In einem Gastkommentar in der Zeitung „Die Furche“ am 19.03.2020 schreibt die Wiener Bioethikerin Susanne Kummer dazu folgendes: „Mit der Coronavirus-Krise rückt ein zentraler Begriff der Medizin- und Pflegeethik ins Bewusstsein: die Vulnerabilität und Verletzlichkeit des Menschen als conditio humana. Wir alle nehmen in diesen Wochen drastische Einschränkungen im privaten und öffentlichen Leben in Kauf, um gefährdete Personengruppen wie Ältere oder Menschen mit Vorerkrankungen vor einer Ansteckung zu schützen. Der Staat hat das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen eingeschränkt zum Schutz der Schwächeren und Verwundbaren. Und das ist gut so. Im Kern muss dieser Gedanke der Solidarität jede Gesellschaft tragen, wenn es um den bestmöglichen Schutz vulnerabler Gruppen geht.“ Wer in einer existentiellen Krisensituation wie Krankheit und Hochaltrigkeit einen Sterbewunsch äußere, brauche keine Hilfe zur Selbstauslöschung, sondern heilsame Begegnungen, Schmerzlinderung, Zuwendung und Beistand. Nur so könne sich jeder Mensch sicher sein, dass er in seiner Würde auch in verletzlichen Lebensphasen geachtet und geschützt wird.
Dass Utilitarismus das Gegenteil von generationenübergreifender Solidarität und Fürsorge sei, hob auch Andrea Schurian in ihrem Presse-Kommentar „Quergeschrieben“ (Premium Presse Artikel) am 23.3.2020 hervor. Wörtlich heißt es dort: „Alte und Kranke sterben üblicherweise früher als Junge und Gesunde, auch ohne Coronavirus. Diese Binsenweisheit hatte vermutlich der brexitamische Premierminister und Vulgärdarwinist Boris Johnson in seinem blonden Wirrkopf, als er schwadronierte, dass der Tod von 20.000 alten Menschen durch Covid-19 in Kauf genommen werden müsste. Klar, Survival of the Fittest: That’s Life. And Death. Generationenübergreifende Solidarität und gegenseitige Fürsorge geht freilich anders.“ (TSG)