Gynägologe verurteilt
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AG / Abtreibung: Arzt wegen Nichtdurchführung einer Abtreibung verurteilt

IEF, 30.03.2020 –  Dem Gynäkologen wird vorgeworfen seine Pflichten als öffentlich tätige Amtsperson verletzt zu haben.

Dr. Leandro Rodriguez Lastra, ehemaliger Vorstand der gynäkologischen Abteilung des Pedro Moguillansky Krankenhauses in Cipolletti, Argentinien, wurde zum ersten Mal im Mai 2019 verurteilt. Dieses Urteil wurde nun mit zwei zu einer Richterstimmen von einem Berufungsgericht bestätigt. Damit bleibt die Verurteilung zu 14 Monaten bedingter Haft und eine 28-monatige Suspendierung vom öffentlichen Dienst als Arzt vorerst aufrecht.

Der Vorfall, wegen dem Rodriguez Lastra angeklagt wurde, ereignete sich im April 2017 und stelle sich laut LifeSite News folgendermaßen dar: Eine Frau, die jahrelang im familiären Umfeld missbraucht worden sei, hätte sich an ein Krankenhaus in der Nähe gewandt. Die 19-jährige Frau sei infolge einer Vergewaltigung schwanger gewesen. Das Krankenhauspersonal soll sie daraufhin an eine NGO verwiesen haben, die sich für Abtreibungsrechte einsetzt. Diese hätte der Frau schließlich eine Abtreibungspille gegeben. Nach deren Einnahmen habe sie starke Unterleibsschmerzen und Fieber bekommen, weswegen sie sich an ein Krankenhaus wandte. Da dieses nicht über spezialisiertes Equipment verfügte, um die Schwangere zu untersuchen, soll sie mit einem Krankenwagen in das Moguillansky Krankenhaus in Cipolletti eingeliefert worden sein, in dem Rodriguez Lastra Abteilungsleiter für Gynäkologie war. Nachdem die Frau untersucht wurde und nicht genau festgestellt werden konnte, welche Pille sie eingenommen hatte, soll Rodriguez Lastra in Übereinstimmung mit einem Ärzteteam und mit Einwilligung der Schwangeren entschieden haben, ihren Zustand zu stabilisieren. Die Frau sei zu dem Zeitpunkt, da sie die Pille eingenommen hatte und in das Krankenhaus eingeliefert wurde, bereits im fünften Schwangerschaftsmonat gewesen. Das Kind wäre damit theoretisch auch außerhalb des Mutterleibs überlebensfähig gewesen. Der Arzt riet jedoch dazu, abzuwarten bis das Kind groß genug war um ohne Gesundheitsrisiko für sich selbst und die Frau auf die Welt zu kommen. In der 34. Schwangerschaftswoche sollen schließlich Wehen eingeleitet worden sein und das Kind sei per Kaiserschnitt entbunden worden. Kurze Zeit darauf sei das Neugeborene zur Adoption freigegeben worden. Heute sei das Kind bereits zwei Jahre alt und wachse bei Adoptiveltern auf.

Kinderärztin klagt wegen Unterlassung einer Abtreibung

Nach dem Vorfall soll nicht die betroffene junge Frau selbst Rodriguez Lastra  verklagt haben, sondern die Kinderärztin und Abgeordnete der Provinz Rio Negro, Marta Milesi, die sich für das lokale Abtreibungsgesetz einsetzte. Milesi soll in dem ersten Prozess auch als Zeugin aufgetreten sein, um zu erklären welche Absicht sie mit dem Gesetz verfolgt habe.

Abtreibungen sind laut LifeSite News in Argentinien generell verboten. Ein in der Provinz Rio Negro geltendes Protokoll regelt jedoch Ausnahmen von dem Verbot. So seien unter anderem Abtreibungen im Falle einer Vergewaltigung erlaubt. Eine Abtreibung wäre daher im Falle der 19-Jährigen grundsätzlich legal gewesen. Rodriguez Lastra sei auch nicht auf der Liste jener Ärzte gewesen, die aus Gewissensgründen keine Abtreibungen durchführen.

Recht auf Abtreibung steht über allen anderen Rechten

Wie BioEdge berichtet, sprach eine der Richterinnen, María Rita Custet Llambí, die für die Verurteilung von Rodriguez Lastra stimmte, von der Notwendigkeit im gegenständlichen Fall eine „Geschlechterperspektive“ einzunehmen.

Für Custet Llambí stehe fest, dass sich die junge Frau zweifelsohne aufgrund der mit ihrem Frausein verbundenen zahlreichen Vulnerabilitäten, wie ihrem jungen Alter und den vielen Formen von Gewalt, die sie seit ihrer Kindheit erlebt hat, übergangen fühlen müsse. Dazu käme ihre Schwangerschaft infolge einer Vergewaltigung, die Schwierigkeit ihre Meinungen und Wünsche zu kommunizieren und die Gewalt, die ihr im Gesundheitssystem, das ihr hätte beistehen sollen, angetan wurde.

Trotz der vielen Vulnerabilitäten, die im Falle der 19-Jährigen zusammenkämen, hätte Rodriguez Lastra ihre Autonomie ignoriert, indem er ihren reproduktiven Funktionen Vorrang gegenüber ihrer Würde, ihrem Recht auf Gesundheit und ihrem Recht auf Information, Beistand und Respekt im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch – einem Recht, das ihr über jedes andere Recht und Interesse hinweg zustehe – eingeräumt hätte, so Custet Llambí weiter.

Um die Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung zu erzwingen, habe der Angeklagte die Stimme und die essentiellen Bedürfnisse der jungen Frau ignoriert und damit ihre „Psyche zugrunde gerichtet“ und ihren „Körper versklavt“. Damit habe er dem Opfer den Status als Rechtssubjekt abgesprochen. Für Custet stelle dies die Verkörperung geschlechtsbezogener Gewalt in ihrer schmerzlichsten Form dar.

María Rita Custet Llambí und der Richter, Miguel Angel Cardella, sprachen Rodriguez Lastra daher wegen der Verletzung seiner Pflichten als öffentlich tätige Amtsperson schuldig.

Ideologisch motiviertes Urteil

Für den Anwalt des verurteilten Gynäkologen sei das Urteil ideologisch motiviert und argumentiert. Es fänden sich dort kaum Zeugenaussagen oder Berichte darüber, was sich eigentlich zugetragen hatte. Während der Verhandlungen soll Rodriguez Lastra vorgebracht haben, die Abtreibung aus medizinischen Gründen nicht durchgeführt zu haben. Es würde den Richtern daher nicht zustehen über diese medizinisch begründete Entscheidung zu urteilen.

Der Anwalt des Arztes soll bereits angekündigt haben, auch gegen die neuerliche Verurteilung Berufung ergreifen zu wollen. Er hoffe noch auf eine Aufhebung des Urteils durch den Obersten Gerichtshof. Das IEF wird weiter berichten. (AH)

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