DE / Familie: Arbeitskreis Abstammungsrecht will Familienrecht grundlegend ändern
IEF, 12.07.17 – Ohne großes mediales Aufsehen zu erregen, legte der Arbeitskreis Abstammungsrecht des Justizministeriums in Deutschland Anfang Juli seine „Empfehlungen für eine Reform des Abstammungsrechtes“ vor. Unter anderem wird die Einführung des Begriffs „intendierte Eltern“ vorgeschlagen, womit jeder gemeint sein soll, der einwilligt, künftig Verantwortung für Kinder übernehmen zu wollen. Rechtliche Mehrelternschaft wird (noch) abgelehnt.
Der „Arbeitskreis Abstammungsrecht“, der nun seine Ergebnisse vorlegte, wurde vor zwei Jahren einberufen, um unter anderem die Verhältnisse zwischen Eltern und Kind in den Fällen von Samen- oder Embryonenspende oder auch die Frage der gleichgeschlechtlichen Elternschaft zu klären. Durch den Beschluss zur „Ehe für alle“ in Deutschland können nun viele dieser Forderungen früher Realität werden, als man vielleicht vorerst dachte. Dabei wurden nicht nur Regelungen überarbeitet und neu gedacht, auch die Sprache soll an die neuen Umstände angepasst werden.
Anstatt über „Abstammungsrecht“ zu sprechen, wird empfohlen, künftig den Begriff „rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung“ zu verwenden. Tatsächlich liegt der Fokus der Regelungen nicht mehr auf der biologischen Abstammung, sondern auf rein rechtlicher Zuordnung von elterlicher Verantwortung, wie insbesondere die Empfehlungen des Gremiums in Bezug auf die Elternschaft bei gleichgeschlechtlichen Paaren zeigen. Bislang musste die Partnerin einer Frau, die mittels künstlicher Befruchtung ein Kind bekommen hatte, den Weg der Adoption gehen, um als zweite Mutter des Kindes anerkannt zu werden. Dies soll nun geändert werden. Auch die Partnerin der biologischen Mutter soll automatisch als Mutter anerkannt werden, solange der Spender des Samens nichts dagegen einwendet. Damit ähnelt die Empfehlung den österreichischen Bestimmungen: Im Zuge der letzten Reform des Fortpflanzungsmedizinrechts wurde auch lesbischen Paaren ermöglicht, künstliche Befruchtung in Anspruch zu nehmen. Die Partnerin der Mutter kann seither anderer Elternteil des Kindes werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes eingetragene Partnerin der Mutter ist, das Kind anerkennt oder gerichtlich als Elternteil anerkannt wird. Allerdings nur, wenn die Mutter mittels künstlicher Befruchtung empfangen hatte. Der österreichische Gesetzgeber hat sich bewusst für die Begriffe „Elternteil“ und „Elternschaft“ entschieden und keine neuen Begriffe wie „Co-Mutter“ oder „Mit-Mutter“ eingeführt.
Wer also „Eltern“ ist, wird nicht mehr grundsätzlich durch die Abstammung geregelt, sondern durch die rechtliche Zusprechung, wie eben das neue Vokabular schon andeutet. Eltern sollen diejenigen sein, die eingewilligt haben, künftig Verantwortung für das Kind zu übernehmen, sie sind die sogenannten „intendierten Eltern“.
Gleichzeitig wird in anderen Fragen wiederum großer Wert auf die biologische Abstammung gelegt. So soll das Recht auf das Wissen um die eigene Herkunft ausgeweitet werden, auch im Falle der künstlichen Befruchtung. Hier kam der Bundestag der Empfehlung bereits zuvor, indem er vor Kurzem die Einrichtung eines Spendenregisters beschlossen hatte, durch welches Kinder die Möglichkeit haben, ihren biologischen Vater zu finden.
Während die FDP bereits die nicht-kommerzielle Leihmutterschaft und die Möglichkeit der rechtlichen Mehrelternschaft fordert, lehnt die Mehrheit der Arbeitskreismitglieder die Mehrelternschaft im Sinne eines Vollrechtsstatuts (noch) ab. Die Probleme, die aus dem gleichzeitigen Wunsch von mehr als zwei Personen nach Zuweisung der rechtlichen Elternschaft erwachsen, würden durch die Zuweisung eines elterlichen Vollrechtsstatus nicht gelöst. Fragen wie Ausübung der elterlichen Sorgepflichten, Namens- und Erbreicht und Ähnliches mehr würden bloß verkompliziert. Hinzu käme, dass ein Kind schon heute nach medizinischem Stand aufgrund von Zellkerntransfer, Leihmutterschaft oder Samenspende bis zu vier biologische Eltern haben könne. „Nähme man die intendierte oder soziale Elternschaft hinzu, so gäbe es keine klare zahlenmäßige Begrenzung potentiell in Frage kommender Eltern. Ohne eine solche Begrenzung müsste man im Interesse der Praktikabilität rechtlich doch zwischen Eltern mit einem Vollrechtsstatus und solchen mit „subsidiären“ Status unterscheiden, sodass rechtliche Elternschaft nicht mehr durchweg mit einem Vollrechtsstatus verbunden wäre“. Die Mehrheit der Mitglieder des Arbeitskreises lehnte dies ab.