CA / Lebensende: Ärztin empfiehlt Anwesenheit von Kindern bei Tod durch „Sterbehilfe“

IEF, 09.03.2020 – Um Tötung auf Verlangen und assistierten Suizid zu normalisieren, sollten Kinder in den Sterbemoment eingebunden werden.

Diese These vertritt die kanadische Familienärztin Susan Woolhouse in einem Fachbeitrag der medizinischen Fakultät der British Columbia University. „Medical Assistance in Dying“ (MAiD) ist in Kanada seit 2016 erlaubt, wobei der Begriff sowohl Suizidbeihilfe als auch Tötung auf Verlangen umfasst. In Kanada muss MAiD durch Ärzte oder Pflegepersonal vorgenommen werden, um straffrei zu sein.

„Sterbehilfe“ soll in Realität von Kindern integriert werden

Woolhouse, die sich privilegiert fühle, in mehr als 70 assistierte Suizide eingebunden gewesen zu sein, meint in ihrem Bericht: „Mein Gefühl sagt mir, dass die Einbindung von Kindern in den assistierten Suizid von Nahestehenden (‚loved ones‘) wahrscheinlich die wichtigste und therapeutischste Erfahrung für ein Kind sein könnte. Meine palliativmedizinische Erfahrung hat mir gezeigt, dass Kinder davon profitieren können, beim Tod einer nahestehenden Person dabei zu sein. Warum sollte es bei MAiD anders sein?“

Rund 7 Prozent der Toten durch MAiD seien derzeit unter 55 Jahre alt, das Durchschnittsalter liege bei 72 Jahren. Je mehr die Zahl der jüngeren Toten durch MAiD wachse, desto mehr seien Kinder vom assistierten Tod eines nahestehenden Menschen betroffen, so die Schlussfolgerung der Ärztin. Würden die umgebenden Erwachsenen MAiD normalisieren, so sei das auch für die Kinder möglich, ist sich Woolhouse sicher. Den Kindern müssten ehrliche, einfühlsame und nicht verurteilende Informationen über MAiD gegeben werden. Dann sei die Anwesenheit für Kinder bei einem Tod durch medizinische Assistenz als „normaler Teil der Reise am Lebensende“ integrierbar. Solche Gespräche empfehle sie ab einem Alter von vier Jahren.

Kindern könnte MAiD etwa folgendermaßen erklärt werden, so Woolhouse: „In Kanada können schwerkranke Menschen, die den Tod zur Folge haben, entweder auf den Tod warten oder einen Arzt um Hilfe bitten. Der Arzt oder eine Krankenschwester verwendet dann eine Medizin, die bewirkt, dass der Körper aufhört zu arbeiten und stirbt. Das wird so gemacht, dass es nicht weh tut.“

Suizid als „normaler“ Tod

Woolhouse mache mit diesem Vorschlag glasklar, wohin die Reise geht, mahnt Dr. Stephanie Merckens vom Institut für Ehe und Familie (IEF). Es sei völlig illusorisch zu glauben, dass bei Zulassung der Suizidbeihilfe über kurz oder lang assistierter Suizid weiterhin als nicht wünschenswerte, verhinderungswürdige Form der Lebensbeendigung gesehen werden dürfe bzw. wird. Hehre Erklärungen wie jene der deutschen Verfassungsrichter, Suizid solle weiterhin nicht die gesellschaftlich normalisierte Form des Todes werden, lösten sich angesichts solcher Vorschläge in Luft auf. Dies sei auch nicht weiter verwunderlich, so Merckens weiter. Wenn man wie Woolhouse davon überzeugt ist, dass Tötung auf Verlangen und assistierter Suizid „normale“ Todesformen seien, scheint es nur logisch, weitere gesellschaftliche Akzeptanz von MAiD durch die Einbeziehung von Kindern zu erzielen und den Kindern eine Möglichkeit zu geben, beim Sterben dabei zu sein, um den Trauerprozess wie beim natürlichen Tod zu ermöglichen. Dabei blendet Woolhouse allerdings völlig aus, dass Suizid für die Hinterbliebenen eben genau nicht das Gleiche ist wie ein Versterben ohne menschliches Zutun, kritisiert Merckens. Anstatt einem Kind starke Wurzeln, Selbstvertrauen und ein Vertrauen in das Leben und in seine Umgebung zu vermitteln, erlebt es durch MAiD, dass ein geliebter Mensch getötet wird, weil er nicht mehr leben möchte. Dadurch werde das Vertrauen eines Kindes in seinen Grundfesten erschüttert: in das Leben an sich, in die Menschen, die es beschützen sollen (nächste Angehörige, Ärzte etc.), in sich selbst. Existentielle Fragen, die sich bei Suizid eines nahen Angehörigen stellen, lasse die Ärztin völlig außer Betracht. Etwa „Warum hat mich mein Vater im Stich gelassen?“, „Bin ich nicht gut genug?“, „Ich bin schuld.“ oder auch „Der Arzt hat ihn oder sie umgebracht.“, „Warum hast Du meine Schwester nicht geschützt?“. Dann, wenn sich diese Fragen stellen werden, werde die Ärztin, die dem 5-Jährigen den bevorstehenden Suizid seines Vaters erklärt und diesen dann im Beisein des Kindes durchgeführt hat, nicht mehr da sein, um zu begleiten. Gerade diese (Spät)folgen wären es aber, die deutlich machten, warum assistierter Suizid oder Tötung auf Verlangen ganz etwas anderes ist als die palliativmedizinische Begleitung eines Sterbenden, so Merckens. (TSG)

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