DE / Familie: Wie der Staat von Mehrkindfamilien profitiert

IEF, 22.9.2017 – Wenn Eltern drei und mehr Kinder bekommen, könne sich das für den Staat lohnen, errechnete das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln). Der Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD), der mehr Unterstützung für kinderreiche Familien von Staat und Wirtschaft fordert, hatte das Gutachten in Auftrag gegeben. Am 7.9.2017 wurde es in Berlin vorgestellt.

Warum sich Großfamilien für den Staat lohnen können

Unter dem Titel „Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Mehrkindfamilien in Deutschland“ wurde im Rahmen von Musterberechnungen der ökonomische Mehrwert von Mehrkindfamilien beziffert: Bekommt eine Familie mit zwei Kindern, mittlerem Einkommen und mittlerem Lebenslauf der Mutter ein drittes Kind mit mittlerem Bildungsstand, ergibt sich ein positiver gesamtfiskalischer Wert in Höhe von 58.700 Euro. Erreicht es sogar einen hohen Bildungsabschluss liegt der Wert bei 448.500 Euro. Erreicht das Kind allerdings keinen berufsqualifizierenden Abschluss, ergeben sich Mehrkosten für die öffentliche Hand. Die Erhebungen ergaben zudem, dass Kinder aus großen Familien meist auch selbst mehr Kinder als andere bekämen. „Nur wenn es gelingt allen Kindern aus Mehrkindfamilien eine gute Ausbildung zu ermöglichen, können diese ihre volkswirtschaftlichen Potenziale voll entfalten“, sagt hierzu der Studienleiter Prof. Dr. Axel Plünnecke, Leiter des Kompetenzfelds Bildung, Zuwanderung und Innovation beim IW Köln in seinen Erläuterungen zum Gutachten.

Bildungsangebote und Wiedereinstiegsoptionen

Die Ergebnisse des Gutachtens zeigten, dass  ein großer Teil der 890.000 Mehrkindfamilien (jede neunte Familie) mit minderjährigen Kindern im Allein- oder Zuverdienermodell lebten. So sei bei Dreikindfamilien die Kombination ein Elternteil in Vollzeit/einer in Teilzeit mit einem Anteil von 42,7 Prozent am häufigsten und bei Vierkindfamilien die Kombination eines Elternteils in Vollzeit/eines nicht erwerbstätig mit 44,9 Prozent. Die allermeisten Mütter entschieden sich bewusst für diese Lebensform, um genügend Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, kommentiert Dr. Elisabeth Müller, Vorsitzende des KRFD, die Zahlen. Umso wichtiger seien daher an ihren Bedürfnissen ausgerichtete Bildungsangebote und konkrete Optionen für den Wiedereinstieg, damit sie nach langjährigen Berufspausen am Arbeitsmarkt leichter wieder Fuß fassen können, so Müller.

Mittelschicht hat zwei Kinder

Für das dritte Kind entschieden sich häufig Mütter und Väter mit geringerer Bildung und niedrigerem Einkommen sowie Akademiker mit hohem Einkommen. Die Mittelstandsfamilie mit einem monatlichen Einkommen von rund 3.000-4.000 Euro verzichtete eher auf das dritte Kind.  Es komme also darauf an, die Mittelschicht mit mittlerem Bildungsabschluss und Einkommen zu mehr Kindern zu ermutigen, resümiert Müller. Grund für die stark zurückgegangene Geburtenrate in den letzten Jahrzehnten sei in erster Linie der Rückgang der Familien mit drei oder mehr Kindern, weniger der Anstieg der kinderlosen Paare. Eine relevante Rolle spiele bei der Familiengröße außerdem der Zeitfaktor: Vor allem Eltern, die früh ihre ersten und bald darauf ihre zweiten Kinder bekommen – möglichst noch in einem Geburtenabstand von unter drei Jahren – entschieden sich für dritte und weitere Kinder. Keinen Beleg fanden die Forscher für das Vorurteil, Sozialhilfeempfänger bekämen mehr Kinder, weil es sich für sie finanziell lohne. Abseits der wirtschaftlichen Dimension konnte laut Studienleiter Plünnecke festgestellt werden, dass Eltern, die noch ein drittes Kind bekommen, deutlich gesünder und mit ihrem Leben zufriedener seien.

Anreize schaffen: Bildung, Einkommen, Wohnraum

Das Gutachten betrachtet ferner, welche Faktoren die Entscheidung zu dritten und weiteren Kindern begünstigen oder hemmen. Positiv wirke sich aus, wenn Familien früh ihre ersten und zweiten Kinder bekämen, aber auch die Gesundheit spiele eine Rolle. „Damit insbesondere junge Menschen aus der Mittelschicht nicht zulange mit der Familiengründung zögern und den Mut für das dritte Kind fassen, müssen die kurz- und langfristigen Rahmenbedingungen weiter verbessert werden“, stellt Plünnecke fest. Das IW Köln empfehle Firmen, Traineeprogramme für Berufsanfänger mit Kind sowie Qualifizierungsangebote für den Wiedereinstieg nach drei oder mehr Kindern anzubieten. Der Staat solle eine frühe Familiengründung durch Betreuungsangebote erleichtern, Familien beim Wohnungskauf unterstützen und die Höhe der Rente an die Kinderzahl koppeln. Zuwanderung allein löse Deutschlands Demografie-Problem nicht, sagte Plünnecke.

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